Am 7. September 2014 verabschiedete sich die Sonderausstellung „Art is Therapy“ vom Rijksmuseum in Amsterdam. Was bleibt, sind Museumswände ohne anhaftende gelbe Zettel und eine veränderte Sichtweise auf alle Kunstwerke, die unsere Museumswelt präsentiert.

Kunst ist mit Sicherheit das, was ein jeder erwartet, wenn er ein Museum betritt. An Wissenschaft denken dabei die wenigsten, und doch tragen wir sie – die Kunstwissenschafts-Brille. Vor wenigen Monaten hätte ich es selbst noch verneint. Ich hätte sogar mit fester Überzeugung behauptet, dass ich Kunstwerke ihrer selbst wegen sehe und ganz gewiss nicht aus einem wissenschaftlichen Ansatz heraus. Doch dann fand ich mich im Rijksmuseum inmitten einer Fülle von gelben Zetteln wieder, die im Zusammenhang mit der dortigen Sonderausstellung „Art is Therapy“ ausgehängt worden waren, und sah mich mit einer mir unangenehmen Realität konfrontiert.

Meisterwerk, na und?

Nederland, Amsterdam, 24-04-2014. Nieuwe tentoonstelling Art Is Therapy – Alain de Botton & John Armstrong in het Rijksmuseum. Foto: Olivier Middendorp

Nederland, Amsterdam, 24-04-2014. Nieuwe tentoonstelling Art Is Therapy – Alain de Botton & John Armstrong in het Rijksmuseum. Foto: Olivier Middendorp

Die Gründe für einen Museumsbesuch sind vielzählig. In den meisten Fällen aber steckt das Interesse für ein bestimmtes Werk, eine Epoche oder einen Künstler dahinter. Das Neue Museum hat seine Nofretete, das Louvre die Mona Lisa und Amsterdam Rembrandt oder Van Gogh. Werke werden besucht und betrachtet aber dennoch nicht von jedem bewundert. Grundsätzlich geht es ums gesehen haben. Gedanken darüber, ob einem das jeweilige Werk überhaupt gefällt oder was es in einem selbst bewirkt, sind zweitrangig.

Die Sonderausstellung provozierte ihre Besucher unter anderem mit fett gedruckten Fragen und Aussagen, die aufgrund ihrer Kürze auch im Vorbeilaufen aufgegriffen wurden. Und während man die ersten Zettel noch erfolgreich zu ignorieren glaubte – denn man war ja wegen der Hauptwerke gekommen – sammelten sich die unterbewusst aufgeschnappten Worte zu einer unübersehbaren Masse, die zum Denken und letztlich zum gänzlichen Stehenbleiben anregte.

Was waren das für Zettel?

Und warum ließen sie einen nicht mehr los?

Viele von ihnen Sprachen Gedanken aus, die so bekannt und doch so fremd waren. Denn die Hinterfragung von Meisterwerken ist normalerweise nicht etwas, das von einem Museum nach außen, sondern in einem jeden selbst getragen wird. Und auch der Aufruf, weniger über den Schöpfer oder die Stilart eines Gemäldes nachzudenken, trifft einen durchaus unerwartet. Denn tatsächlich sind es doch immer wieder diese Informationen, die wir suchen, wenn wir vor einem Kunstwerk stehen.

Beschriftung, Informationsdurst, Kopf ausschalten

Es ist schon beinahe ein Automatismus. Der Blick fällt auf ein Kunstwerk und unmittelbar danach auf das kleine weiße Plättchen, das darunter oder daneben angebracht worden ist, um uns über die wichtigsten Daten zu informieren. Oft lesen wir sogar darüber, was wir sehen. Besonders hervorgehoben werden allerdings das Jahr, der Künstler oder auch das Material.

Im Rijksmuseum war dies – für mich – erstmals anders. Denn die gelbe Farbe der Zettel zog mich an, wie schimmerndes Licht eine Motte. Und umso mehr Zettel ich las, desto bewusster wurde mir, wie wenig ich tatsächlich auf die Werke selbst zu achten schien.

De Botton Armstrong

Nederland, Amsterdam, 24-04-2014. Nieuwe tentoonstelling Art Is Therapy – Alain de Botton & John Armstrong in het Rijksmuseum. Foto: Olivier Middendorp

Das Gefühl, nicht mit meinen eigenen Augen zu sehen, stieg stetig an und mit ihm sogar eine gewisse Traurigkeit und der Gedanke, dass ich es irgendwann einmal verlernt zu haben schien, ein Gemälde zu betrachten, ohne mich zu fragen, wer dahinter steht.

Als ich die Ausstellung verließ, schwirrte mir der Kopf. Den Katalog dazu nahm ich mir aber mit, denn ich wollte mehr erfahren über diese Sichtweise und hoffe sehr, dass mir diese Art der Ausstellung sehr bald wieder begegnen wird.

Weitere Informationen zu „Art is Therapy“ in englischer Sprache gibt es hier und im Ausstellungskatalog: De Bottonn, A., Armstrong, J. Art is Therapy, Rijksmuseum (2014)


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Nederland, Amsterdam, 24-04-2014. Nieuwe tentoonstelling Art Is Therapy – Alain de Botton & John Armstrong in het Rijksmuseum. Foto: Olivier Middendorp

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