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Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen
Hg.. Deutscher Museumsbund e.V (2013)

Rechtliche Normen gibt es nicht

Immer wieder stoße ich beim Lesen auf diese Feststellung und ich frage mich, wie kann das sein? Spielen die Toten in unserer Gesellschaft schlichtweg eine geringere Rolle als die Lebenden? Kümmert es die Angehörigen nicht, was mit den sterblichen Überresten ihrer Verwandten geschieht? Oder gibt es einfach so viele offene Fragen, weil die Antworten zu schwierig zu finden und mit erheblichen gesellschaftlichen und kulturellen Hinterfragungen verbunden sind? Woran auch immer es liegt, mir stößt die unzureichende gesetzliche Regelung durchaus auf.

Beginnen wir bei dem, was gesetzlich geregelt ist

Doch bevor es zu Missverständnissen kommt: Natürlich ist es hinsichtlich der Frage wem wann was gehört keinesfalls so, dass nichts gesetzlich geregelt ist. Man muss es eben nur wissen und versuchen, nicht den Durchblick zu verlieren.

Wichtig ist in erster Linie zu definieren, ob und wie menschliche Überreste zu Eigentum werden können. Und dort fängt der Ärger bereits an, denn ein Mensch ist keine Sache und nur diese kann eine andere Person oder auch eine Institution besitzen. Da das Persönlichkeitsrecht nach der generellen gesellschaftlichen Auffassung ab dem Tod eines Menschen stetig abnimmt, geht man auch aus juristischer Sicht davon aus, dass dieses Recht auf Persönlichkeit irgendwann erlischt. Ist dies einmal geschehen, wird man im Sinne des bürgerlichen Rechts zur sogenannten verkehrsfähigen Sache, ist also zu etwas geworden, das andere besitzen können. Wo genau der Übergang zwischen einem jüngst Verstorbenen und einem vor langer Zeit Verstorbenen liegt, ist allerdings nicht festgelegt und bleibt somit Auslegungssache.

Was denkt ihr darüber? Kann man der Eigentümer eines menschlichen Überrests sein und wenn ja, ab wann?

Was steht fest?

Ein Überblick

  • Es besteht kein Anspruch auf Eigentumsrecht auf die menschlichen Überreste eines jüngst Verstorbenen.
  • Sobald ein Leichnam als verkehrstüchtige Sache eingestuft wird, können Eigentumsrechte bestehen.
  • Mumien, Moorleichen und übrige menschliche Gebeine können ebenso wie Artefakte aus oder mit menschlichen Überresten Eigentum eines Museums oder einer Sammlung sein, WENN das Persönlichkeitsrecht und die Totenehrung des Individuums nicht mehr bestehen.
  • Abgetrennte Körperteile von Lebenden (dazu zählen Haare, Nägel, Zähne usw.) sind auch nach der Abtrennung das Eigentum des Spenders.
  • Bei Leichen, die noch unter dem Schutz der Totenehrung stehen, besteht das Recht auf die sogenannte Totenfürsorge, welche Entscheidungen über die Art der Beisetzung oder auch die Verwendung zu wissenschaftlichen Zwecken ermöglicht. Dabei ist man allerdings an den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen gebunden und kann nicht frei entscheiden.
  • Menschliche Überreste, die von Museen oder Sammlungen unwissentlich von einem Dieb erworben wurden, können nach 10 Jahren in den Besitz der jeweiligen Institution gehen. Spätestens nach 30 Jahren können Angehörige gestohlener menschlicher Überreste keinen Anspruch mehr erheben.

Nicht geklärt sind hingegen folgende Fragen

  • Wann findet der Übergang von einem jüngst Verstorbenen zu einem vor langer Zeit Verstorbenen statt?
  • Wann verblasst das Persönlichkeitsrecht?
  • Wann endet die Totenehrung?
  • Wie Verhält sich der Besitzanspruch bei anatomischen Präparaten, die aus der NS-Zeit stammen?
  • Welche Angehörigen haben einen Eigentumsanspruch auf menschliche Überreste? Müssen diese Blutsverwandt sein?
  • Sind bei Fragen bezüglich des Eigentumsanspruchs nur die Rechts- und Kulturnormen unseres Kulturkreises miteinzubeziehen oder auch jene anderer Kulturen?

Fragen wie diese sind in Zusammenhang mit musealen Sammlungen und Ausstellungen, die menschliche Überreste beinhalten, unerlässlich. Aber wer sollte sie sich stellen? Die Museen oder vielleicht auch die Besucher?


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