Sensationeller Fund: Neuer Ausstellungsraum in der Dauerausstellung Lügenmuseum

Im April 1992 ahnte niemand, dass der Anruf des Künstlers Albrecht Hillemann aus Erfurt einen sensationellen Fund
zu Tage bringen würde. In der Taubengasse in Erfurt wurde ein verfallenes, barockes Haus saniert. Welch eine
Überraschung, die Sanierung legte im Dachquartier eine übertapezierte Tür frei. Dahinter lag ein geheimer Raum,
verstaubte Möbel und nicht genau zu bestimmende Kunstwerke. Alles musste geräumt werden. Das Erfurter
Stadtmuseum lehnte ab. Das Lügenmuseum war interessiert, weil in den 70er Jahren Albrecht Hillemann und
Reinhard Zabka in der Backstube des besetzten Hauses ein Atelier bezogen hatten.

Drei Stockwerke auf steilen Holzstiegen empor, ganz oben dann Ausblicke auf das Augustinerkloster und die Mühle
an der Gera. In dem Raum hatte zuletzt ein Künstler gewirkt, das war auf den ersten Blick klar. Die Wände voller Kunst,
die Bücher in graues Packpapier eingebunden. Die Kunstgegenstände stellten wir an die Wand, um sie zu
begutachten. Alles wirkte wie eine Zeitreportage in Form von Skizzen, Objekten und Experimenten. Spiegelbild einer
schwierigen Zeit, eine Episode aus Erfurts Kultur im verborgenen der 70er Jahre.
Die Ansammlung wurde ins Lügenmuseum transportiert, entstaubt und eingelagert. Die Namen der Künstler waren
unbekannt, nichts war signiert. Es gab Umzüge, zuletzt 2012 in den Gasthof Serkowitz. Doch die Erfurter Sammlung
blieb in groben Zügen erhalten.

25 Jahre nach dem Fund erhielt das Lügenmuseum eine Förderung der Bundesstiftung Aufarbeitung. Dies gab uns
die Mittel, diese Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sie neu zu entdecken. Was da unter dem
sozialistischen Schubladenbegriff „Volkskünstlerisches Schaffen“ firmieren musste, entpuppte sich bei näherem
Hinsehen als ernstzunehmender Aufbruch, der keinerlei Vergleiche zu scheuen brauchte. Was da fast vergessen in
einer Dachkammer ruhte, steht heute stellvertretend für die schöpferische, vielseitige, eher im Stillen gewachsene
und sich um keine Modeströmung scherende künstlerische Vitalität von Künstlern im Untergrund der DDR.
Die Geschichte dieser konspirativen Kunstsammlung wird nun als Interieur Underground im Lügenmuseum
präsentiert. Der Zugang erfolgt im siebenten Ausstellungsraum durch eine schmale Pforte hinter einem Bücherregal
in das nachgebaute, konspirative Hinterzimmer. Zum Ausstellungsraum gibt es einen Katalog mit ’89 Geschichten:
Künstler dieser Zeit erzählen an Hand von Alltagsdingen über Ausgrenzung und Verfolgung. 10 aktuelle
Künstlerplakate können als Wanderausstellung ausgeliehen werden. Gefördert durch die Bundesstiftung
Aufarbeitung und den Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen, Träger ist der Kunst der Lüge e. V.

Reinhard Zabka
http://kunst-der-luege.de/
http://kunst-der-luege.de/interieur-underground-2017/plakate/
Pressemitteilung

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