Farbenprächtig, lebendig, ausdrucksstark – so zeigt sich die »Kunst der Vorzeit« im obersten Stockwerk des Martin-Gropius-Bau in Berlin. Zumindest bis Pfingstmontag, denn danach ist Schluss. Noch ist es also nicht zu spät, und ein Besuch lohnt sich aus vielerlei Gründen.

Kopie mit Mehrwert – eine seltene Ehre in unserer Museumswelt

Ob Monet, Dalí oder Van Gogh – sowohl die Museen selbst als auch ihre Besucher befinden sich seit jeher auf der Jagd nach den sogenannten wahren Meistern der Kunst und den Werken, die sie schufen. Kopien haben es hingegen schwer, wie es sich in jüngster Zeit beispielsweise am traurigen Schicksal der Königlichen Abguss-Sammlung in Kopenhagen zeigte. Doch im Berliner Martin-Gropius-Bau scheint diesbezüglich gerade die Ausnahme zu gelten, denn hier locken seit Januar 2016 rund Hundert Felsbildkopien in das oberste Stockwerk des Gebäudes – und das mit großem Erfolg. Wer hinter den eindrucksvollen ursprünglichen Figuren steckt, weiß heute niemand mehr. Und dies allein wirkt geradezu befreiend auf das sonst so nach wahrer Kunst suchende Auge des Betrachters. Hier geht es endlich einmal um das Motiv allein und um die Wirkung desselben auf den Besucher.

09_Gorgo-Elefant Gorgo-Elefant Libyen, Fezzan, Wadi In Habeter 10.000-6.000 v.Chr. Kohle auf Papier von Ruth Assisa Cuno, 1932 140x99 com © Frobenius-Institut Frankfurt am Main

09_Gorgo-Elefant
Gorgo-Elefant
Libyen, Fezzan, Wadi In Habeter
10.000-6.000 v.Chr.
Kohle auf Papier von Ruth Assisa Cuno, 1932
140×99 com
© Frobenius-Institut Frankfurt am Main

Kontinent statt Chronologie

Der Aufbau der Ausstellung mag schlichtweg in der Tatsache begründet sein, dass eine genaue Datierung von Felsbildnissen kaum möglich ist. Schließlich wurden diese über lange Zeiträume wiederholt übermalt, was selbst eine zeitliche Einordnung mit technischen Hilfsmitteln erschwert. Er könnte aber auch völlig unabhängig davon entstanden sein. Immerhin befindet sich die gesamte Museumswelt derzeit in einem Wandel – weg vom chronologischen und hin zu einem thematischen Aufbau. Hier wurde die kontinentale Variante gewählt, was durchaus Sinn ergibt und die deutlichen Unterschiede der Höhlenkunst in hohem Maße vor Augen führt. Angefangen vom südlichen Afrika führt der Weg über Nordafrika, das südliche Europa sowie Italien und Skandinavien bis hin zu Australien und Westpapua. Das Ende der Ausstellung bildet ein eigener Raum für die Ausstellung und Rezeption der zuvor gesehenen Werke, wodurch sich nochmals eine vollkommen neue Perspektive entfaltet.

02_Elenantilopen und langgliedrige Menschen Republik Südafrika, Harrismith, Southeys Hoek 1.500 v.Chr. - 1.500 n.Chr. Aquarell von Elisabet Mannfeld, 1929 63x50,5 cm © Frobenius-Institut Frankfurt am Main

02_Elenantilopen und langgliedrige Menschen
Republik Südafrika, Harrismith, Southeys Hoek
1.500 v.Chr. – 1.500 n.Chr.
Aquarell von Elisabet Mannfeld, 1929
63×50,5 cm
© Frobenius-Institut Frankfurt am Main

Schicht um Schicht

Der Titel »Kunst der Vorzeit. Felsbilder aus der Sammlung Frobenius« suggeriert bereits, dass es hier nicht ausschließlich um die frühzeitliche Kunst geht. Denn alle hier ausgestellten Felsbildkopien stammen aus der Sammlung des deutschen Ethnologen Leo Frobenius (1837-1938), die, ebenso wie die Höhlenkunst, auf eine eigene Geschichte zurückblickt. Auf diese Weise ist die Ausstellung ebenso als ein Vorzeigen prähistorischer Kunst zu verstehen, wie die Darstellung der Sammlungsgeschichte selbst. Ein Bereich, der ebenfalls überaus selten Einzug in Museen findet. Schade, immerhin hat so manche Sammlung durchaus nicht nur viel mitmachen müssen, sondern ebenfalls weitreichende Einflüsse auf spätere Epochen gehabt. Auch dies wird hier in dem besagten letzten Raum gezeigt, was meiner Ansicht nach einen ungeheuren Mehrwert für die Ausstellung selbst, aber auch für die Besucher darstellt.

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Fazit:

Die »Kunst der Vorzeit« ist meiner Ansicht nach überaus sehenswert, denn es handelt sich dabei um eine wunderbar vielschichtige Ausstellung, die deutlich zeigt, dass man im Martin-Gropius-Bau bestrebt ist, neue Wege der Ausstellungskonzeption zu beschreiten. Ich empfehle ein Minimum von 1 ½ – 2 Stunden für den Besuch einzuplanen, damit neben dem Betrachten der Bilder auch noch Zeit für den ein oder anderen Dokumentarfilm bleibt, von denen es insgesamt fünf verschiedene im letzten Ausstellungsraum gibt. Zudem sind auch die Schwarz-Weiß-Fotografien der Expeditionen und die verschiedenen ausgestellten Archivalien durchaus sehens- und lesenswert, denn erst durch sie lässt sich das volle Potenzial der Sammlung verstehen.

Das Konzept verfügt sowohl über moderne als auch über herkömmliche Vermittlungsmuster. Sowohl die Gliederung nach Kontinenten als auch die Vitrinen mit Exponaten der Expeditionen ermöglichen einen breiteren Blickwinkel auf die prähistorische Kunst sowie die Arbeit mit und die Bedeutung derselben. Wer jedoch keine Vorkenntnisse über Leo Frobenius hat, könnte sich meiner Ansicht nach zu Beginn der Ausstellung etwas verloren fühlen. Denn Informationen über ihn und seine Arbeit finden sich eher häppchenweise, mal hier, mal dort.

Wer die Ausstellung mit Kindern besuchen will, ist rein motivisch definitiv an der richtigen Adresse. Denn was, wenn nicht Elefanten, Giraffen, Pferde, Fische und reinste Fabelwesen sind interessant, wenn man sich als Kind der Museumswelt öffnet? Allerdings ist an dieser Stelle auch anzumerken, dass die Ausstellung selbst – bis auf die Motive – leider nicht auf die kleinsten Besucher eingeht. Es ist also eine Portion Eigeninitiative der Eltern gefragt, damit den jüngsten im Besucherbunde nicht langweilig wird. Und es wäre wirklich zu schade, diese wundervolle Ausstellung Kindern vorzuenthalten.

Die Tatsache, dass sich die Ausstellung im obersten Stockwerk befindet, sollte kein Grund der Abschreckung sein. Mit dem Fahrstuhl lassen sich alle Etagen des Hauses wunderbar erreichen. Zudem ist die gesamte Ausstellungsfläche ebenerdig und durchaus geräumig, sodass selbst das Durchkommen mit dem Rollstuhl keine Probleme bereiten sollte. Auch Sitzgelegenheiten sind vereinzelt gegeben.

Übergeordnet ist die »Kunst der Vorzeit« sowohl für Groß und Klein zu empfehlen und ich kann jedem, der es noch nicht dorthin geschafft hat, nur raten, dies schnellstmöglich nachzuholen. Schließlich ist nicht vorherzusagen, wann sich eine solche Gelegenheit wieder bieten wird.

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Weitere Informationen

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Martin-Gropius-Bau Berlin, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin

Tel.: +49 30 254 86-0
Fax.: +49 30 254 86-107
E.Mail: post@gropiusbau.de

Hinweise zur Erreichbarkeit:

S- & U-Bahn:

S 1, S 2, S25 sowie U2 – Potsdamer Platz

S 1, S 2, S25 – Anhalter Bahnhof

Bus:

M29 – S Anhalter Bahnhof

M41- Abgeordnetenhaus

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Mittwoch bis Montag: 10:00–19:00 Uhr (Die Kasse schließt um 18:30 Uhr)
Dienstags geschlossen!

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[su_tab title=“Kosten„]

Erwachsene: 10 €

Ermäßigt: 6 €

Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre FREI

Wichtiger Hinweis: Im Martin-Gropius-Bau handelt es sich immer um ein Einzelticket, das ausschließlich für die jeweilige Ausstellung gültig ist.

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[su_tab title=“Sonstiges„] Hier geht es zur Homepage des Martin-Gropius-Bau[/su_tab]

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