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Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen
Hg.. Deutscher Museumsbund e.V (2013)

Und die Würde der Toten?

Ein Grundrecht auf Würde hat nicht nur der Lebende, sondern auch der Verstorbene. Was aber ist unter dem Begriff der »Würde des Menschen« konkret zu verstehen? Eine Definition oder gar eine Norm dazu gibt das Grundgesetz nicht. Erst recht nicht für Museen und Sammlungen. Und so liegt es im Ernstfall im Ermessen der Gerichte, diesen Rechtsbegriff auszulegen.

Ein Versuch der Klärung ist zumindest mit den rechtlichen Rahmenbedingungen gemacht, die sich hauptsächlich an zwei Aspekten orientieren:

1. Ein würdevoller Umgang mit menschlichen Überresten

Sowohl der Leichnam als auch ein etwaiger Überrest eines Menschen ist kein Objekt. Ebenso wenig kann die Rede von toter Materie sein. Aus diesem Grund ist es untersagt, diese auf industrielle oder auch kommerzielle Weise zu nutzen.

Das klingt einleuchtend!

Aber wo liegt hier die Grenze?

Ganz so einfach verhält sich die Sache nicht. Das verdeutlichen beispielsweise die umstrittenen Körperwelten-Ausstellungen, in denen Gunther von Hagens präparierte Leichname (sog. Plastinate) ausstellt. Immer wieder findet sich der Plastinator vor Gericht und wird mit der Frage konfrontiert, inwiefern die Würde der in seinen Ausstellungen präsentierten Toten gewahrt wird. Dass die hier ausgestellten Verstorbenen ihrer Präsentation zugestimmt haben, ist in dieser Diskussion ein nicht so gravierender Umstand, wie man es vermuten könnte. Viel bedeutender sind die Wertevorstellungen der Allgemeinheit und diese lassen die Präsentation menschlicher Präparate dann zu, wenn ein wissenschaftlicher Kontext gegeben ist. Erst, wenn aus Wissenschaft Merchandise wird, ist Schluss und somit heißt es vor allem bei der Anfertigung und dem Vertrieb von Souvenirs: aufgepasst!

Mehr zu Gunther von Hagens und dem Menschen Museum in berlin gibt es hier:
Berlin: Gericht genehmigt Eröffnung des Menschen Museums
Der menschliche Körper und die Kunst

2. Das Andenken und das Persönlichkeitsbild des Verstorbenen sind zu schützen.

Zu dem würdevollen Umgang mit menschlichen Überresten zählen ebenfalls jegliche Aspekte, die das Andenken und das Persönlichkeitsbild eines Verstorbenen betreffen. Dazu wurde vom Bundesverfassungsgericht das sogenannte postmortale Persönlichkeitsrecht entwickelt, welches dazu dient, gegen Rufschädigung und nicht zutreffende Darstellungen vorgehen zu können.

Doch auch hier lässt die Definition zu wünschen übrig, denn der sich durch das postmortale Persönlichkeitsrecht entstehende Schutz hält nicht auf Ewig – ab wann er erlischt, ist bislang nicht festgelegt.

Während der Schutz in einigen Fällen nach Hunderten von Jahren noch besteht, kann er in anderen Fällen bereits nach 25 Jahren erlöschen. Den Maßstab scheint das Andenken an einen Verstorbenen zu geben. Umso länger wir uns also an jemanden erinnern, desto länger besteht auch sein Persönlichkeitsrecht.

Hat also ein König ein höheres Schutzniveau als ein Landwirt?

Haben wir nicht alle denselben Anspruch auf Würde, auch nach unserem Tod?

Was bedeutet das für die Museen und Sammlungen?

Da das postmortale Persönlichkeitsrecht verjährt, besteht für den Großteil der menschlichen Überreste in Sammlungen kein Schutz mehr. Trotz alledem gibt es aber auch nach Hunderten von Jahren Angehörige oder sogar Nachfahren, die Ansprüche stellen und auch durchsetzen können. An alle Forderungen halten, müssen sich Museen dennoch nicht. Wie immer ist Vieles Auslegungssache und liegt letztlich im Ermessen des Gerichts.

Und spätestens an dieser Stelle wird es kompliziert, denn wenn auch menschliche Überreste kein Objekt und keine tote Materie sind, so werden sie doch als eine Sache eingestuft – nämlich das Eigentum.

Doch darum, wem, wann, was gehört, wird es im nächsten readTicker gehen.


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